Teil 2: Billig, aber teuer erkauft – warum Produkte ohne Zulassung zum Bumerang werden können
Stell dir vor, du bekommst eine Lieferung Verbrauchsartikel oder Ultraschallzubehör. Alles wirkt seriös, ein CE-Zeichen ist aufgedruckt, der Preis unschlagbar. Doch was, wenn das vermeintliche „CE“ nicht für eine europäische Zulassung steht, sondern nur für „China Export“? Genau hier beginnt ein Risiko, das nicht nur Patientinnen und Patienten gefährdet, sondern auch Einrichtungen selbst – finanziell, rechtlich und reputationsseitig.
Warum Verbrauchsartikel so riskant sind
Katheter, Schläuche, Spritzen, Filter oder Schutzfolien: Verbrauchsartikel wirken unscheinbar, sie werden in hoher Zahl gebraucht und sind scheinbar austauschbar. Gerade deshalb ist die Versuchung groß, bei günstigen Angeboten zuzuschlagen. Doch das Risiko steckt im Detail: minderwertige Materialien, fehlende Sterilität oder eine unzureichende Dokumentation sind typische Fallstricke. Oft wird das erst bemerkt, wenn Schäden bereits eingetreten sind – und dann ist es zu spät.
Ultraschallprodukte im Praxistest
Noch heikler wird es bei Ultraschallprodukten. Eine Sonde ist technisch hochkomplex, und ihr Zubehör muss nicht nur mechanisch, sondern auch hygienisch absolut zuverlässig sein. Schon kleinste Materialfehler oder unklare Aufbereitungsanweisungen können große Folgen haben. Das BfArM hat deshalb schon vor Jahren darauf hingewiesen, dass Hersteller von Ultraschallsonden mindestens ein wirksames Desinfektionsverfahren angeben müssen. Fehlt ein solcher Hinweis, ist die Gebrauchsanweisung unvollständig und damit irreführend. Die Konsequenz: In Kliniken greifen Anwender im Zweifel zu Desinfektionsmitteln, die zwar wirksam sind, aber das Material der Sonde zerstören. Nach einigen Zyklen bilden sich Risse – und mit ihnen ein Infektionsrisiko.
Was Behörden dazu sagen
Dass dies kein Randthema ist, zeigen die Warnungen der Behörden. Die EU-Kommission weist regelmäßig auf gefälschte oder falsch gekennzeichnete Medizinprodukte hin. Über das Schnellwarnsystem Safety Gate werden jedes Jahr Fälle veröffentlicht, bei denen Verbrauchsartikel zurückgerufen werden mussten – weil Kennzeichnungen gefälscht waren oder die Sterilität nicht stimmte. Auch das BfArM veröffentlicht laufend Sicherheitsanweisungen im Feld. In diesen Listen finden sich nicht nur komplexe Implantate, sondern auch alltägliche Verbrauchsartikel wie Ballonkatheter oder Einmalinstrumente. Der Blick dorthin zeigt deutlich: Es handelt sich nicht um vereinzelte Ausnahmen, sondern um ein strukturelles Problem. Und selbst die Politik reagiert: Seit 2025 schließt die EU-Kommission bestimmte Billigimporte aus China bei öffentlichen Ausschreibungen aus. Der Grund ist nicht allein wirtschaftlich – sondern die Sorge, dass minderwertige Ware in die Versorgung gelangt.
Beispiele aus der Realität
In einer Klinik wurden vermeintlich sterile Schutzfolien für Ultraschallsonden eingesetzt. Erst nach einiger Zeit stellte sich heraus, dass sie winzige Mikrolöcher hatten – mit der Folge, dass die Sonde nicht zuverlässig vor Kontamination geschützt war. Ein anderes Beispiel: Ein Hersteller verzichtete darauf, klare Angaben zur chemischen Beständigkeit seiner Sonden zu machen. Das Krankenhaus setzte ein starkes Desinfektionsmittel ein, das die Oberfläche schädigte. Nach wenigen Reinigungszyklen waren die Sonden unbrauchbar – und die Patientensicherheit massiv gefährdet. In beiden Fällen verpuffte der vermeintliche Preisvorteil sehr schnell.
Woran man sichere Produkte erkennt
Ein Einkauf, der wirklich sicher ist, beginnt nicht beim Preis, sondern bei der Dokumentation. Liegt eine EU-Konformitätserklärung bei? Ist eine benannte Stelle für die CE-Kennzeichnung angegeben und im NANDO-Register nachprüfbar? Gibt es eine Rückverfolgbarkeit über Chargenangaben?
Besonders bei Verbrauchsartikeln und Ultraschallzubehör lohnt es sich, im Wareneingang stichprobenartig zu prüfen: Sind die Verpackungen unversehrt, die Kennzeichnungen korrekt, die Gebrauchsanweisungen vollständig? Schon einfache Tests können zeigen, ob ein Produkt hält, was es verspricht.
Und was passiert, wenn es schiefgeht?
Die größte Gefahr liegt nicht nur im Produkt selbst, sondern in den Folgen für die Einrichtung. Kommt es zu einem Zwischenfall, zeigt sich schnell: Der entfernte Hersteller haftet selten – die Verantwortung bleibt beim Betreiber. Das kann teuer werden: von Schadensersatzforderungen über Bußgelder bis hin zum Verlust von Zertifizierungen. Noch schwerer wiegt aber der Vertrauensverlust. Wenn Patienten oder Partner erfahren, dass mit mangelhaften Artikeln gearbeitet wurde, kann das den Ruf einer Klinik oder Praxis dauerhaft beschädigen. Und Vertrauen zurückzugewinnen ist meist aufwendiger als jeder noch so strenge Wareneingang.
Fazit
Off Label Use bedeutet nicht nur, ein Produkt zweckentfremdet einzusetzen. Es beginnt schon mit der Frage, ob das Produkt überhaupt zugelassen ist. Verbrauchsartikel und Ultraschallprodukte ohne gültige Zulassung sind keine cleveren Sparmodelle, sondern Einfallstore für Risiken. Wer hier auf geprüfte Qualität, klare Dokumentation und seriöse Lieferanten setzt, schützt nicht nur die Patienten, sondern auch das eigene Haus vor Bußgeldern, Haftungsfällen und Vertrauensverlust. Am Ende ist Qualität also nicht teurer – sie ist unbezahlbar.
Auf einen Blick: Warnsignale bei Verbrauchsartikeln und Ultraschallprodukten
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Anzeichen |
Warum das problematisch ist |
Worauf achten |
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CE-Kennzeichnung ohne benannte Stelle |
Kein Nachweis einer EU-Konformitätsbewertung |
Nummer in NANDO-Datenbank prüfen |
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Fehlende oder unvollständige Dokumentation |
Keine Angaben zu Aufbereitung, Material oder Sicherheit |
Konformitätserklärung und Gebrauchsanweisung einfordern |
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Keine Chargen- oder Seriennummern |
Rückverfolgbarkeit und Rückrufe unmöglich |
Chargenkennzeichnung prüfen |
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Ungewöhnlich niedriger Preis |
Hinweis auf Billigkopien oder Fälschungen |
Preise mit etablierten Anbietern vergleichen |
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Fehlende Angaben zur Sterilität |
Risiko von Keimbelastung oder Infektionen |
Sterilnachweise und Validierungen verlangen |
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Unklare Angaben zur Aufbereitung (z. B. Ultraschallsonden) |
Falsche Reinigung kann Produkt zerstören oder Infektionsrisiko erhöhen |
Herstellerangaben zu Chemikalien- und Temperaturbeständigkeit prüfen |